Les chambres

leschambresMEmma Theater Osnabrück, Premiere 10. November 2007

Sekundeneindrücke im städtischen Raum. Der flanierende oder hastende Passant lässt – manchmal neugierig, manchmal unfreiwillig – seinen Blick durch Fenster und Tore schweifen. Durch die Unvollständigkeit dieser sinnlichen Wahrnehmungen wirken manche Momente wie absurde Verzerrungen oder Spiegelungen unserer Alltagserfahrungen: Bizarre Verhaltensweisen sich unbeobachtet fühlender Zivilisationsnomaden, lächerliche Paar-Kleinkriege in Patchworkfamilien, groteske Hierarchiedrills in Großraumbüros sind nur wenige der möglichen und unmöglichen Momente des unfreiwilligen Simultantheaters für ebenso unfreiwillige Voyeure… Das menschliche Gehirn „baut“ alle missverständlichen Wahrnehmungssplitter „um“ in für den Betrachter nachvollziehbare Sinneinheiten. Befremdliche Momente werden Basis von konstruierten „Geschichten“, die ebenso schnell erfunden wie vergessen sind. Solche Wahrnehmungsfetzen aus dem urbanen Alltag sind der Ausgangspunkt des „Tanzstückes über Lebensräume“ im emma-theater. Im Probenprozess schütteln Marco Santi und das TANZTHEATER OSNABRÜCK erlebte und erfundene Episoden durcheinander. Die gesamte Abstrusität unseres Informationskosmos, in dem Hightech-Handys für Lifestyle-Experten auf Kunst-Kuhfellen drapiert sind, wird im Missverhältnis von Sinn und Verständnis zum Thema.

Die Zuschauer betreten das emma-theater durch eine Raumkörper-Installation der Bühnenbildnerin Katrin Hieronimus, in der Raumzellen die Instinkthaftigkeit des saugenden Blicks bewusst machen werden. Mittels subtiler Aufnahmeverfahren wird Roderik Vanderstraeten das musikalische Material für LES CHAMBRES aus dem akustischen Abfall vom städtischen Geräuschen und Passantenlauten konstruieren. Bewusst fokussiert er für dieses Stück auch vom menschlichen Gehör in der Regel negierte Frequenzen und Geräuschbelästigungen.

„In einer Welt, in der die Zukunft feststeht, ist das Leben eine endlose Flucht von Räumen, von denen jeweils einer beleuchtet wird, während der nächste noch dunkel, aber vorbereitet ist. Wir gehen von Raum zu Raum, schauen in den Raum, der gerade beleuchtet ist, den gegenwärtigen Augenblick, gehen dann weiter. Wir kennen die Räume nicht, die vor uns liegen, wissen aber, dass wir nichts an ihnen ändern können. Wir sind Zuschauer unseres Lebens.“ Alan Lightman

Choreographie: Marco Santi
Komposition & Sounddesign: Roderik Vanderstraeten
Bühne: Katrin Hieronimus
Kostüme: Marco Santi & Katrin Hieronimus
Assistenz: Andrea Svobodova
Dramaturgie: Roland Dippel

Mit: Alexandra Brenk, Zaida Ballesteros Parejo, Olivia Court Mesa, Berit Jentzsch, Kristian Breitenbach, Alberto Franceschini, Mathis Kleinschnittger, David Schwindling, Krzysztof Zawadzki

Fotos: Bettina Stöß